Bevölkerung

Die Bevölkerung einer Stadt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu untersuchen, einer Zeit, in der noch keine Kirchenbücher als Vorläufer späterer Standesamtsregister geführt wurden, ist ein schwieriges Unterfangen, da regelmäßig erstellte Einwohner-, Steuer- oder Häuserlisten sehr selten sind.
Ein eher äußerer Umstand hat mich dazu ‚verleitet', die Einwohner Glückstadts von 1616 bis 1652 zu erfassen und die "Bevölkerung der Residenz, Festung, Gründungs- und Exulantenstadt" nach ihrem Herkommen, ihren Berufen, ihrem Alter und anderen Kriterien näher zu untersuchen: Mein Freund Harald Goldbeck-Löwe studierte wie ich in Hamburg, aber Mathematik und Physik und pries die Anwendung der neuen Technologie, der elektronischen Datenverarbeitung, für die Bearbeitung umfangreicher Datenmengen, die manuell nicht zu bewältigen waren.
Da die Anwendung der EDV für die Geisteswissenschaften allenfalls in den Kinderschuhen steckte und für die Geschichtswissenschaft gerade erstmals zaghaft probiert wurde, hatten die Empfehlungen von Harald Goldbeck-Löwe einen besonderen Reiz und gaben meinen Forschungen und Auswertungen eine neue Richtung. Er war bereit, die technischen Arbeiten und Vorbereitungen für die Rechenoperationen am Rechenzentrum der Hamburger Universität 1968 zu erledigen. So entstand eine Lochkartendatei für ca. 4.000 Personen. 40 bis 50 Informationen zur Einzelperson mussten unterschieden und wieder unterteilt werden. So waren über 300 Berufe, ungefähr 200 Herkunftsorte, 30 Straßen, 20 verschiedene öffentliche Funktionen und mehrere politische und konfessionelle Gemeinden zu unterscheiden.
Technische und persönliche Gründe, Zeitmangel, Überlastung des Rechenzentrums u. a. verhinderten, dass wir die umfangreiche Datei erschöpfend ausgewertet haben. Die Fragen, die ich als erste beantwortet haben wollte, waren deshalb auch keine neuen, die nun möglich gewesen wären, sondern orientierten sich an mustergültigen älteren Arbeiten. Dennoch konnte ich manche Ergebnisse für eine Stadtbevölkerung vorlegen, die für die Vorkirchenbuchzeit bisher so nicht möglich gewesen waren. Selbstverständlich waren viele Ergebnisse auch spezifisch glückstädtische wegen der dort angesiedelten sephardischen Juden, der reformierten Holländer, der Soldaten, der insgesamt jungen Zuwanderer, auch wegen der Goldgräberstimmung, die anfangs hier herrschte.
Die Geschichte der portugiesischen Juden in Glückstadt, die bis 1648 eine bedeutende Rolle hier spielten, habe ich ziemlich erschöpfend behandelt. (Den Bestand der portugiesisch-isrealitischen Gemeinde Amsterdam habe ich nicht benutzt.) Meine Dateien und Ergebnisse finden sich in den Nummern 21und 31 der Glückstadt-Bibliographie. Da ich die Wohnplätze bzw. Häuser der Neubürger in der Regel aufgrund eines ordentlich geführten Häuser- oder Hypothekenbuches ermitteln konnte, war ich auch in der Lage, das Wachstum der Stadt, das Ausgreifen der Bebauung in die ständig neuangelegten Straßen nachzuvollziehen. Dieses Ergebnis habe ich in der Nummer 33 mit einem Straßenplan zusammengefasst.
Zu diesem Thema gehören auch die Beiträge der Glückstadt-Bibliographie unter den Nummern 15, 23, 25, 28, 34, 38, 46, 47 und 48.

     
Die erste Seite des ältesten, ausschließlich für die Niederländer ausgegebenen Privilegs Christians IV. von Dänemark vom 14. Februar 1624.    Der jüdische Friedhof auf einem Foto aus den 1920er Jahren. Aus: Heimatbuch des Kreises Steinburg, 3. Glückstadt 1926.
S. 240. Foto: H. Martens.



Titelblatt


Titelblatt der Nr. 31 der Glückstadt-Bibliographie
Neumünster 1974. 206 Seiten.

(Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins. 65.)
Das Inhaltsverzeichnis kann als Datei (WORD 2000, 37 kB) eingesehen bzw. geladen werden.

Text der Verlagsanzeige:

Das 1616 vom dänischen König Christian IV. als planmäßige Anlage auf neueingedeichtem Elbmarschland gegründete Glückstadt überflügelte in wenigen Jahren die meisten alten Städte Schleswig-Holsteins an Einwohnerzahl und Bedeutung und war 1642 nach Kopenhagen und Flensburg die drittgrößte Stadt im dänischen Reich.

Zur Gründergeneration gehörten Schleswig-Holsteiner, Dänen, portugiesische Juden, reformierte Holländer und Ostfriesen, reformierte Hessen, Katholiken, Saisonarbeiter, Söldner, Flottenbesatzungen und Beamte unterschiedlicher Herkunft.

Nur mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung war es möglich, das umfangreiche Material zu den ermittelten fast 4000 Personen hinreichend auszuwerten. Die dabei gewonnenen Ergebnisse mit ihren Angaben über das Alter, die Aufenthaltsdauer, die Fluktuation, die Zu- und Abwanderung und über die Zahlen für die einzelnen Bevölkerungsgruppen in jedem Jahr erheben den Anspruch, auch für die allgemeine städtische Bevölkerungsgeschichte richtungweisend zu sein. Mit der besonders ausführlich untersuchten Baugeschichte und der Entwicklung der jüdischen Gemeinde, den Angaben über die Einnahmen aus dem Elbzoll, über den Schiffsverkehr auf der unteren Elbe u. a. bietet die Arbeit weitere, über die Landesgeschichte hinausgehende Erkenntnisse.